Die Idee hatte ich vor drei Jahren (damals verschoben wir die HTW zum Biancograt und Co., wegen den Verhältnissen), unser Guide war jedoch neu (für mich) – Lucas Iten, kennen gelernt vor nem Jahr – La Nonne/Les Droites – Gruss an den Chefcorsaren Chrigel. Als ich die Zusage von Luci hatte, speckte ich die Sache noch etwas ab (Überschreitung des Mont Dolent und anschliessend heiklen Übergang ins Rifugio Dalmazzi). Doch nun zur Sache:
24.06. Anreise
Nach gemütlicher Zug-, Ruckerli-, Bus- und wieder Ruckerlifahrt endlich die Leiterchen von Montenvers aufs Mer de Glace runter und eineinhalb Stündchen später wieder einige Leiterchen hoch zum Refuge du Couvercle – viel Platz, super Team (Michel und Co.), schlechtes Meteo.
25.06. Hüttenwechsel
Früh morgens kurz aufgestanden, Blick durchs Fenster und weiterschlafen – draussen regnets – Adieu Pointe Isabelle! Wieder Leiterchen runter und Leiterchen hoch – aber oha lätz – wo ist denn das Unterste zum Refuge du Requin? – Hier hängt ja nur ein Strick! Das Hüttchen jedoch ist schön (renoviert 2004-6), Delphine und Vincent ein super Wirteteam und (einmal mehr) Platz wie d’Sau. Luci, Frank und ich rekognoszieren noch kurz den Anstieg zur Aiguille du Plan von morgen und dann geniessen wir Alle den schönen Indoorabend.
26.06. schon wieder Hüttenwechsel (keine Aiguile du Plan)
Der Wecker piept heute noch ne halbe Stunde früher als gestern. Frühstück und los – bis vor die Hütte. Es nieselt anständig aus dem dichten Nebel. Wir ziehen das so circa ne Stunde durch bis wir uns etwas ärgerlich, aber einstimmig für meinen Plan Q entschliessen: direkter Hüttenwechsel ins Cosmiques über den Gletscher. Also Alle wieder ins warme Nest. Die Sicht unter der Wolkendecke ist nicht schlecht, es hat sogar mit regnen aufgehört. Nach über 4 Stunden stehen wir irgendwo auf dem weiten Col du Midi – Sicht: weniger als 30m und wir sind nass vom pausenlosen Regen. Luci schaltet das GPS ein und wenig später stehen wir vor dem Durchlauferhitzer. Ich habe soeben ne Zigi begonnen, als unser Guide mich holen kommt: Probleme mir meiner Reservation, der ältere Mann in der Rezeption hätte nichts auf der Liste. Nach etlichen Trabels finden wir die Lösung: für Matthias, der an Bauchkrämpfen leidet und mich zwei Notmatratzen, die Gruppe wechselt ins Rifugio Torino, dort hätten sie Platz.
-Tropfnass sitzen wir in der Cosmiquehütte und der Hüttenwart schickt uns hinaus in Nebel und Regen – nur Matthias und als „Pflegepersonal“ Rolf bekommen ein Schlafplätzchen zugewiesen. Wir anderen trotten also in Richtung Hotel Torino, grau und feucht, eine Andeutung von Aufhellung wird sofort wieder vom düsteren Regengrau verschluckt. Das Rifugio ist eine riesige Baustelle, wer den falschen Eingang erwischt wird mit einer 100m langen unterirdischen Metallleiter aufwärts bestraft. Aber wir werden herzlichst empfangen und bekommen noch zu Essen.
27.06. La Tour Ronde
Am nächsten Morgen tatsächlich strahlend blauer Himmel und wir starten zum Tour Ronde – mit seinen 3792 m sieht er neben dem Montblanc aus wie ein Baby! In der Flanke wird der Schnee allmählich faul, für den Aufstieg geht es aber noch. Über die Gipfelfelsen gekraxelt, stehen wir bald auf dem Gipfel, die elegante Madonna, die Jörg schon vor fast 40 Jahren gestreichelt hat, ist inzwischen goldig poliert vor lauter Zärtlichkeiten. Nach ausgedehntem Lunch geht’s zum Abstieg, diesmal bleiben wir auf dem Grat bis zu einem langen Schneecouloir. Wir knüpfen alle Seile aneinander, so langt es bis ins flachere Gelände. Zurück im Rifugio schliessen wir uns Matthias und Rolf an, die bereits mit dem Hütten-Wellnessprogramm begonnen haben. –(dieser Teil von Andrea Hecker)
28.06. Dent du Géant
Aufbruch ist erst um 6 Uhr. Wir steigen durch ein Schneecouloir und Kraxelgelände zum Einstieg der NW-Kante des schrecklichen Zahns. Die ersten paar waagerechten Meter sind mit einem Fixseil ausgerüstet, dann beginnt die Verschneidung, welche auf die eigentliche Kante hochführt. Hier überholen wir eine italienische Seilschaft, während die vor uns liegenden im Himmel verschwinden. An der Kante bei den zweiten Fixseilen angekommen, bin ich an der Spitze und Luci schickt mich (piep) gleich weiter, worauf die Anderen mich kurz darauf laut fluchen hören – die Schlinge ums Fixseil klemmt immer wieder. Ich nehm sie doppelt und sie klemmt auch doppelt, also wieder einfach und hoppla, Fixseil zu Ende und kurz darauf stehen wir auf dem Vorgipfel. Im Sättelchen bespricht sich Luci mit der Frau eines schweizer Päärchens, welches über die stellenweise leicht überhängende Südwand abseilt. Sie ruft immer wieder (solange man sie noch verstehen kann), dass 40m-Seile langen sollten. Dann stehen wir auf dem Hauptgipfel und Jörg betont, dass die Madonna von gestern viel schöner gewesen sei. Gratulieren, Vespern und Föttele – dann geht’s runter. Dank unseren drei Seilen können wir vermeiden, dass die ganze Gruppe jeweils an einem Stand hängt. Zurück im Torino geniessen wir die Gastfreundschaft von Laura (der Hüttenchefin) und ihrer thailändischen Gehilfin sowie des älteren Mannes, der u.a. die Kasse macht, sowie den EM-Halbfinal Italien-Deutschland, der einen Stock tiefer im für die Arbeiter des Umbauteams verwendeten Raumes auf TV zu sehen ist.
29.06. Arête de Rochefort
Wir starten ne Stunde früher, wieder schönes Wetter, ausser dass der Dent und die Arête in Wolken gehüllt sind. Der Aufstieg ist uns noch bestens bekannt, aber heut hat’s doppelt so viele Seilschaften wie gestern (beachte unsere Startzeit!). Am Beginn der Arête hat sich trotz kurzer Momente der Aufhellung während des Kraxelns nichts verändert. Die Wolken verdecken die grausigen Tiefblicke beidseitig, aber kürze Böen erhöhen unsere Aufmerksamkeit. Dann der Stau am Westwändchen der Aiguille de Rochefort – während Luci mit Andrea und Frank mit Carole schon kurz vor dem Gipfel sind, werden Harald mit Matthias und Jörg mit mir von einer aufsteigenden und drei abseilenden Gruppen aufgehalten. Endlich geschafft und auch die Wolken sind in Auflösung begriffen. Schnelles Gipfelritual und Luci mit Frank machen sich auf zur Rekognoszierung meines geplanten Abstieges über die Bruchzone des Glacier du Mont Mallet. Die einzigen Spuren hier runter führen rüber zum Dôme de Rochefort (von ner Überschreitung zu oder von den Grandes Jorasses). Alle andern Seilschaften gehen vom Gipfelchen wieder zur Arête zurück (=Autostrasse im Gegenzug zur Autobahn = Montblanc Be- oder Überschreitung, welche 365Tage/Jahr 24h Betrieb hat!). Wir haben das internationale Zeichen für Flugrettungen abgemacht: beide Arme V-förmig hoch = Yes! Nach 10 Minuten bangen Wartens fällt mir ein gewaltiger Felsbrocken vom Herzen - einer wird wieder sichtbar und es folgt das Zeichen (Ja), also sofortiger Aufbruch zum Abstieg. Die Stelle ist so fantastisch, dass unsere Bilder erzählen sollen (sofern die Weitwinkel gross genug waren). Wenige Stündchen später stehen wir auf dem fast flachen Boden des Glacier de Leschaux, unter dem gleichnamigen Hüttchen, wo sich unsere Wege trennen. Vier fahren nach hause, Vier übernachten im obgenannten Refuge.
Ganz riesigen Dank an Lucas Iten, unseren Guide, für seine mit grosser Begeisterung geleistete Führungsarbeit und an Andrea Hecker, Carole Treml, Frank Wächter, Harald Gampp, Jörg Kuhn und Matthias Herrmannstorfer für eure herzliche Mitarbeit!
Text und Bildauswahl: Rolf Glauser
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