4.4. Anreise
Letzte Abmachung war in der Breite, wo mich Däni abholen wollte, doch der ultimative Funk vom Sonntag Abend brachte News: sein Telefon sei heiss gelaufen am Nachmittag und Esther müsste absagen wegen Fieber, wir führen mit dem Zug bis Sargans, wo uns Roman dann abholte, Treff ab 08.15h am Bahnhof. Liebe Esther, gute Besserung.
So wars dann. In Zürich steigt Andrea zu und in Sargans wechseln wir in Romans Opel. Es regnet, aber unsere Gespräche bleiben gut. Irgend wann nach dem Vorarlberg wird’s trocken und am späten Nachmittag erreichen wir Kals. Das Lucknerhaus ist ausgebucht, die Alternative in Kals selbst hat Roman schon organisiert und nach einem typisch österreichischen Empfang folgt ein gemütliches Tafeln in einem nahen Gasthaus, dann eine ebensolche Nacht.
5.4. Teufelskamp
Kurz nach Sechs parkieren wir vor dem Lucknerhaus, anfellen und hoch geht’s, der Stüdlhütte entgegen. Das Ding ist ein schöner Neubau von 1996, wie ein liegendes Fass, unten aufgeschnitten. Ein gutes Vesper, unter anderm mit Knödelsuppe, versüsst uns die Mittagspause, dann mit leichterem Gepäck wieder raus. Rechts vom Grossglockner stehen einige verfirnte Gipfelchen, Roman hat uns das Teufelskamp raus gesucht. Für mich geht das Leiden weiter, ne Dornwarze oder was ähnliches am rechten kleinen Zeh drückt schmerzvoll, denn meine Hausärztin wollte letzte Woche nicht schneiden, so was sei heute out, sondern hat mir Spezialpflaster verschrieben. Gloisi, du weißt, auf was du dich eingelassen hast!
Nach drei Stunden stehen wir oben. Grossartige Aussicht! Wie vom Meteo vorbestimmt, hats aufgemacht, Sonnenschein, auch der Glockner steht frei von Gewölk. Während der Abfahrt schmerzt mich der rechte Fuss nicht mehr, dafür ein anderer Stress: ich bin der schlechteste Skifahrer von der ganzen Gruppe und muss mich nochmals zusammen reissen, um mit zu kommen. Dann in der Hütte die Belohnung: super Znacht mit Salatbüffet.
6.4. Grossglockner und kleiner Gebietswechsel
Frühstück um halb sechs, was für die ganze Woche das übliche wird, ebenso die Qualität: nebst Marmelade und Müsli sind Fleisch und Käse selbstverständlich! Im flachen Fernerteil machen wir ein kleines Materialdepot und steigen weiter leicht rechtshaltend hoch. Zusammen mit einer welschen Gruppe, deren Führer Roman gestern getroffen und offensichtlich gekannt hat, erreichen wir den kurzen Felsgrat, der zur Erzherzog-Johann-Hütte (3454m) rauf führt. Ski auf den Sack binden, Hüfchen montieren und anseilen. Oben angekommen, zieht Roman unverdrossen weiter den aufsteilenden Gletscher hoch zum Couloir, das auf dem Schlussgrat endet. Wieder ein Skidepot und weiter im Nebel. Das Meteo hat heute versagt – wir sind die ganze Zeit unter Wolken unterwegs und nun mitten drin. Die Sicht reicht jedoch über 50m und wir sind mit anderem beschäftigt: steigen und ab und zu ein Schlingchen um ne Sicherungsstange oder (viel seltener) um ein Felszäckchen.
Oben sind schon die Welschen, das einzig wunderbare am Gipfel ist sein Kreuz und natürlich unser Erfolg, nicht aufgegeben zu haben. Föttele, uns und das Kreuz und die Welschen, viel mehr sieht man nicht. Dann wieder runter - wie immer weniger anstrengend als rauf und ich habs auch kürzer und einfacher in Erinnerung. Wo das Couloir beginnt, dann die grosse Überraschung: man sieht wieder was (nochmals föttele).
Bei den Bretterln angekommen, lässt uns Roman gleich die Skier packen und wir fussen das kurze Stück runter zum Felsband, das den oberen Ferner vom Unteren trennt und passieren die kurze, steile Passage, um die Dinger endlich an zu schnallen. Nun im Sonnenschein steil abwärts zum Depot und endlich gibt’s die lang ersehnte Pause. Der Schnee wird nun immer weicher, Däni holt sich ein Pusserl und auf letzten Resten erreichen wir den Parkplatz.
In Kals ein kurzer Halt, um das Gipfelchen zu begiessen (und Roman studiert das Meteo im Netz) und unten im Tal nochmals einen in Matrei, wo Däni seine Felle reparieren lässt – wir diskutieren kurz, ob wir nach dem Venediger nochmals, so zu sagen ausser Programm, das Gebiet nach Westen verschieben sollen (Palla Bianca), lassen die Sache aber vorerst offen.
Hinter Hinterbichl, beim Marmorbruch, ist der Parkplatz für die Johannisberghütte. Roman hat noch während der Fahrt oben angerufen und die Hüttenwartin gewarnt, das wir etwas später ankommen würden. Wieder die Bretterl auf den Sack schnallen und ne Stunde Fussmarsch, dann liegt genug Schnee am Wegrand, um die Dinger wieder am richtigen Ort zu befestigen. Der Empfang, das Abendbrot und die Nachtruhe (wie üblich) wunderbar!
7.4. Gross Venediger
Wieder um Halb Sechs gibt’s Frühvesper. Viertel Nach Start, heute pünktlich – Dänis und Romans humorvolle Kritik an Antoines Verspätung von gestern hat scheinbar gewirkt. Nach knapp zwei Stunden sind wir beim Defreggerhaus – es ist geschlossen – und der Windschatten auch. Weitere zwei Stunden später stehen wir auf dem Gipfel des Gross Venedigers, nachdem wir auf dem Inneren Mullwitzkees und dem Oberen Keesboden fast von allen Böen verschont worden waren. Hier oben ziehts wieder kräftiger, aber der Fernblick ist wunderbar. Und der neue Blockunterbau vom Kreuz ebenso. Ja ja, wir stehen auf einem typischen Skitourenberg, es wimmelt von Touristen und oha lätz – aus der SW-Flanke tauchen plötzlich zwei jüngere Alpinisten auf – gegenseitiges Föttele vor und auf dem Kreuz.
Die Abfahrt macht allen Spass ausser mir, ich kämpfe noch gegen letzte Depressionen, aber nach der wohlverdienten Rast auf einem Geröllinselchen oberhalb des Defreggerhauses, zur Hälfte ohne Wind, beginnts auch mir wieder zu gefallen. Um halb Eins zurück bei der Johannishütte, wo der Sumpf erst beginnt!
Entspannter Nachmittag auf der Sonnenterasse der Hütte, um Fünf macht ein Heli einige Versorgungsflüge, ich kann einen grossen Fetzen harte Haut von meinem lädierten Kleinen entfernen und der restliche Abend ist schon fast wie immer (auf den österreichischen Almhäusern). Die Entscheidung für morgen verschieben wir auf Morgen.
8.4. Grösserer Gebietswechsel
Nun fällt die Entscheidung leicht: Temperatur vor der Hütte durch die Nacht über Null Grad, Roman meint, der steile Aufstieg übers Türmlijoch sei heuer nicht empfehlenswert. Wir sind einstimmig dafür und so geht’s runter zum Parkplatz hinter Hinterbichl mit Ziel Palla Bianca.
Fahrt durch Italien (über Toblach (kein Blick auf die drei Zinnen) und Bruneck auf die Brennerautobahn die steile Schlucht runter nach Bozen – kurzer Halt mit Blick auf eine der Museumsburgen von Reinhold – und dann weiter nach Merano und das Vinschgau hoch – Mittagsrast oberhalb Burgeis mit Blick auf das Ortlermassiv – zum Reschensee), wir bestaunen die weissen Pisten, die tief in die frisch grünen Täler reichen (Antoine gibt den Tipp, dass das nebst Beschneiungsanlagen nur durch Kühlschlangen im Boden möglich sei) und bewundern die vielen Obstplantagen, die ohne Leitern beerntbar sind. Andrea erzählt von etlichen, auch sportlichen Ferienerlebnissen in diesem Gebiet und Roman telefoniert nach der Weisskugelhütte und erfährt, dass diese geschlossen ist und so fahren wir das Langtaufers Vallelunga hoch, bis zum Endparkplatz. Ja ja, wir wissen, dass die Dame am andern Ende uns die Palla Bianca Residenz empfohlen hat, was den morgigen Aufstieg zur Weisskugel lediglich um 600 auf 1800Hm verlängert.
Die „Residenz“ ist wahrlich (mindestens für meinen Geschmack) ausserordentlich neu, komfortabel und billig (55.- € HP), die Matten platzen fast vor Krockussen, der Schnee beginnt auf der Schattenseite des Tales wenige hundert Meter nach unserer Unterkunft und überhaupt...
9.4. Palla Bianca oder Weisskugel
Wir stehen unwesentlich früher (03.00h) auf als normal, brauchen die Stirnlampen nur kurz (1.5h) und schon bald stehen wir auf der Zunge des Bärenbartferners. Nun beginnt die eigentliche Abschlusstour. Nach gemütlichem Aufstieg (auf meiner Zunge) sind wir am Bärenbartjoch (wo uns nur einige Böen fast umblasen), hinten geht’s wesentlich steiler und vereister runter, als ich’s mir tags zuvor nach der Karte vorgestellt habe. Harscheisen montieren und queren. Der folgende (nach meinem Empfinden unendliche) Buckel ist rasch bestiegen und uns lacht der Schlussspurt entgegen (wieder steil und vereist, mir graut’s im Stillen). Nun noch der gemütliche Auslauf auf den Gipfel (welche die Sturmböen poetisch untermalen). Aagschirrä und behüfeln – die letzten Meter des einfachen Grates warten auf uns. Ich bin tatsächlich etwas erleichtert, als Roman recht bekommt mit seiner Aussage, dass der Wind auf dem felsigen Teil des Grates schwächer sein würde. Prächtiges Panorama und Gipfelkreuz (10.00h)!
Zurück bei unsern Bretterln rasten wir noch ne halbe Stunde (die Böen haben etwas nach gelassen, mindestens bilde ich mir das ein), dann geht’s runter – diesmal über das Weisskugeljoch (kurzer Gegenanstieg) und den Langtauferer Ferner. Ich bin froh, den Schnee nicht all zu viele Male küssen zu müssen, den Andern macht die Abfahrt natürlich Spass. Zwischen 2900 und 2800m queren wir nach links, um die oreographisch linke Moräne zu erwischen. Ab hier beginnt der Sumpf und sogar Roman muss sich ab und zu ausgraben. Um 14.00h sind wir zurück auf dem Parkplatz, wo sich Gloisi noch die 25’000er Karte postet (besser spät als nie).
Tja, Roman Caflisch (Guide) und Däni Küry (TL), besten Dank für die Organisation und Führung der leichten Skitourenwoche und Andrea Blum und Antoine Stoll auch für Euer Engagement und gute Stimmung.
Text und Bildredaktion: Rolf (Gloisi) Glauser
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