Der Atem geht schwer, nach 10 Schritten ist eine Pause fällig, Schritt für Schritt nähern wir uns …weiterlesen
Der Atem geht schwer, nach 10 Schritten ist eine Pause fällig, Schritt für Schritt nähern wir uns dem Gipfel des Damavand auf 5671 m. Der Gipfelhang ist technisch leicht, aber die Höhe und der Schwefeldampf aus den zischenden Fumarolen nimmt uns den Atem. Der Hilfs-Guide Ali, 28, Mitglied der Iran Nationalmannschaft im Bergsteigen und in drei Wochen Teilnehmer der Gasherbrun Expedition, umkreist uns wie ein Herdenhund, rauf und runter und schaut, dass ja nichts passiert. Dann stehen wir oben und freuen uns wie die Kinder. 8 Angensteiner von 33- 69 Jahren, davon drei Frauen und Bergführer Fritz Tanner. Es ist Mittwoch 23. April um 14:20, wir haben etwas über 7 Stunden für den Aufstieg von der Biwakschachtel auf 4200 m gebraucht. Der Schnee begann erst ab ca. 4400 m, vorher hiess es Ski tragen. Die Aussicht ist nur nach oben zum blauen Himmel gut, die Gipfelwolke versperrt uns den Blick zum kaspischen Meer und nach Teheran, beide soll man bei guter Sicht sehen. Immerhin haben wir beim Aufstieg einen prächtigen Sonneaufgang erlebt und auf zahlreiche 4000 er heruntergesehen , davon hat es unzählige in der Gegend. Nach dem Gipfelrausch, erstaunlicherweise bei fast Windstille und Temperaturen um Null Grad, folgt der rasche Abstieg zu Skidepot auf ca. 5300 m und die Abfahrt über die 30-40 Grad steilen, aber trotzdem nicht sehr schwierigen Hänge mit gepresstem Frühjahr Schnee, weiter unten bereits sulzig. Wir wissen unser Glück zu schätzen, nicht viele Gruppen hatten in diesem Jahr den Gipfel erreicht, weil meist Winde über 100 kmh bliesen. Der Rest ist einfach. Am nächsten Tag Abstieg zum Basislager auf 2900 m, die schweren Rucksäcke und die Skis auf Mulis und dann auf der Brücke eines klapprigen Lastwagens ins Tal zum UIAA Bergsteiger Zentrum in Polur, wo uns nach dem Bad im 50 Grad warmen Thermalbad, Chef Guide Majid frische Forellen brät. Vor der Besteigung hatten wir uns in Shemshak, ca. 70 km nördlich von Teheran, auf 2700 m zwei Tage akklimatisiert und Touren im Skigebiet von Dizin auf 3500 bis 3700 m gemacht. Der Schnee war schon Mangelware, die zahlreichen Skilifte standen still und der Ort war hässlich wie die meisten Ski -Orte nach der Saison. Die zahlreichen Appartementhäuser in Bau (Stahlgerüste mit Backstein) machten ihn nicht schöner. Aber wir bekamen nebst roten Blutkörpern erste Erfahrungen mit gutem iranischem Essen, Gastfreundschaft, verhüllten Frauen und alkoholfreiem Bier. Als wir mit der Planung vor einem Jahr begonnen hatten, haben viel gefragt, wieso Iran, hat es da überhaupt Berge, das ist doch gefährlich dort, Al Kaida und andere Terroristen und die Achse des Bösen und, und...?? Gerde diese falschen Vorstellungen und dieses nicht Wissen waren mit ein Grund für uns, in den Iran zu gehen, sie wurden alle gründlich korrigiert. Die zweite Woche brachte eine Fülle von kulturellen Eindrücken, welche den Tourenbericht bei weitem sprengen würden. Einige Stichworte: Der Blitzbesuch in Shiraz, der Stadt der Rosen und Nachtigallen und dem Grab von Hafis,dem Dichters der Liebe und des Wein (13.JH). Hier machten wir die ersten Erfahrungen mit der überschäumenden Freundlichkeit der Leute, welche nicht genug davon bekamen sich mit uns fotografieren zu lassen und sich zu bedanken, dass wir den Iran besuchen. Die gewaltigen Ruinen von Persopolis mit der über 2000 Jahre alten Hoch-Kultur besuchten wir mit dem jungen überforderten Guide Mohamed, der wohl erstmals eine Gruppe führte und uns fast ein bisschen leid tat. Die Übernachtung in der Karawanserei „Zein O Diehn“ am Rande der Wüste, aber 300 m neben der Autobahn, wo uns die Wasserpfeife verwehrt wurde, weil sie neuerdings verboten ist (wir hatten später trotzdem ausgiebig Gelegenheit Wasserpfeife zu rauchen, das Verbotene ist besonders attraktiv). In Yazd kamen wir in Kontakt mit der uralten Vor-Islamischen Zoroastrischen Religion und ihrem Feuerkult, aber auch mit schiitischen Märtyrer Bräuchen um den dritten Imam Hussayn. Auf langen eintönigen, aber gut ausgebauten Strassen, erreichten wir schlussendlich Isfahan, die Perle des Orients wo uns der „Maydan“ der grösste Platz der Welt mit der unvergleichlichen Lotofallah Moschee,die grosse Moschee, der Bazar, die Brücken und immer wieder Leute welche mit uns diskutieren wollten und uns willkommen hiessen, beeindruckten. Auf dem Maydan diskutierten wir z.B. mit Studenten die Atom- und Gas Politik des Iran und die Haltung der Schweizer Aussenpolitik dazu. In Isfahan lud unser sehr gut vorbereitete und intelligente Guide Mahdi zu sich nach Hause zum Essen ein. Die Diskussionen mit ihm waren sehr anspruchvoll, er wusste über Nietzsche besser Bescheid als wir und kannte sein Haus in Basel, obwohl er noch nie in Europa war und auch kein Visum erhält. Man kann den Iran nicht in ein oder zwei Wochen kennen lernen oder gar verstehen. Uns allen ist jedoch klar geworden, dass unser Bild von der Region und vom Islam, sofern wir überhaupt eines haben, einseitig, wenn nicht falsch ist. Aus Mesopotamien stammen alle unsere Religionen ob Judentum, Christentum oder Islam. Alle haben verschiedenste Strömungen, aber die Unterschiede sind trotzdem, nüchtern betrachtet, eher klein. Umso unverständlicher sind die Konflikte, welche mit religiösem Hintergrund ausgetragen wurden und werden. Oder geht es letztlich doch nur um Macht, Einfluss, Öl und Wasser? Nach wie vor finden wir vieles nicht gut, z.B. die Frauenpolitik mit lauter Verboten und Tabus, obwohl wir auch selbstbewusste und moderne Frauen sahen. (Der Anteil der Frauen in den Universitäten ist höher als der Männer) Wir haben nicht nur einen hohen Berg bestiegen, wir haben unseren Horizont erweitert und wissen nun, dass vieles, was wir bei uns hören und sehen, ein falsches Bild abgibt. Mit Sicherheit wissen wir, dass die Leute im Iran freundlich, hilfsbereit und offen sind. Hoffen wir, dass sich diese Eigenschaften auch in der Politik wieder bemerkbar machen und nicht durch Krieg und Geawalt plattgewalzt werden.
Text und Bilder: Christian Aeschlimann
Teilnehmer: Christian Aeschlimann, Ursi Ebner, Martin Durst, Harald Gampp, Barbara Liechti, Adrian Rutz, Agnes und Alois Schwarb, Fritz Tanner Bergführer (nur 1. Woche) ⇐
|