1. Mai
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1. Mai Nach den üblichen Spontanabmeldungen sind wir 8 Personen, ideal für ÖV (2 Viererabteile). In Zürich steigt Ralf Weber, unser Guide, zu; aber in Anbetracht der trägen Wolkendecke sind noch keine Frühwanderer & -sportler unterwegs und so bleibts gemütlich. Auch in Silvaplana-Surlej tummeln sich nur noch ein paar wenige Freunde des Nassschnees und so stechen wir ab Mittelstation Richtung Fuorcla Surlej in See. Auf der andern Seite des Rückens über dem Vadret da Tschierva - meinem Tal des Scheiterns - tauchen die alten Freunde Piz Roseg, Scerscen und Bernina mit mystischem Wolkenfloor auf. Was für ein abgehobenes Licht! Die Coaz ist praktisch voll. Mancheiner hat gemerkt, dass die Skitourensaison heuer eigentlich erst im Frühling so richtig begonnen hat. Viele Freunde kommen aus den grossen südlichen und nördlichen Kantonen, ebenso von unserm EM-Nachbarn. Kurz vor Vespern bring ich der schlafenden Annemarie Pelzli und andere feucht und wieder trocken gewordene Utensilien aufs Zimmer, damit sie mich als Service-Mann Nr.Eins nicht ganz fallen lässt.
2. Mai Nach einer klaren Nacht optimale Verhältnisse. Saumzeug montiert, kurz darauf aagschirrt, verteilen sich die zahlreichen Gruppen auf dem Gletschermeer. Alles wie im Prospekt. Wir steigen gegen Punkt 3469, andere zur Fuorcla da la Sella und zwei wagen sich an den Roseg. Die Traversierung I Gemelli-Piz Sella extrem Skifreundlich, der Schnee auch. Nur die Temperatur ist etwas zu zurückhaltend für eine ausgiebige Gipfelrast. Aber das holen wir dann nach einem listigen Osthängchen am Fusse der Roseg Südwand nach. Nun übers ausgedehnte Plateau des Vadret di Scerscen superior zur Marinelli, wo wir in Sonne und Windschatten den Nachmittag verbummeln können. Die Stimmung wird beim typisch italienischen Culinarium durch Dominiks Unwohlsein etwas getrübt und -oha Lätz - ...
3. Mai ...am Morgen diagnostiziert unser Guide, der sich auch als Meister Medicus der Höhen entpuppt, ein Lungenödem. Da gibts nur eins: runter! Annemarie begleitet ihren Partner in den Heimathafen und Ralf die Beiden das Tobel runter bis zum Beginn der Zivilisation. Für mich heisst das - Schnitt - Captain Kirk: "Riker, übernehmen sie!" Die anfangs zum Teil noch unfolgsame Bande konsolidiert sich nach kurzer Massregelung und wieder wandern wir über schier unendlich weite Flächen. Vadretta di Fellaria, später Altiplano di Fellaria... endlich die Fuorcla Bellavista! Wir sind allein, die Massen vergnügen sich am Palü. Wir steigen schräg das steile Ostflänkchen der Bellavista hoch und dann ums Egg die Erfüllung meiner stillen Hoffnung: noch keine Spur, unberührtes Weiss, um unsere eigene Linie hoch ziehen zu können. Vom Gipfel vertreibt uns schnell die heftige Bise. Im Westen quälen sich über 50 Touristen auf die Bernina, im Osten stapfen auch über 50 Skitüreler auf Steigeisen den blank gefegten Rücken zum Palü-Mittelgipfel hoch. Wir haben das Vergnügen, ein paar Schwünge im etwas windgeplagten "Pulver" zu drehen. Nach dem Egg traversiert Gloisi das Flänkchen tapfer ausschreitend, während die Andern in meiner Spur gleiten können. Aber was solls, nach der Fuorcla isr der Schnee eh madig und um 14.00h, wenige Meter vor dem Rifugio kommt uns Ralf vom sonnigen Italien entgegen. Dominik ist es, je weiter runter, zunehmend wieder besser gegangen und später erreichte uns ein SMS: 12 Stunden Zugfahrt bis Basel!
4. Mai Noch in der Dämmerung fahren, oder eher tasten wir uns den steilen Hang von der Marinelli zum Valle di Scerscen runter. Da ich nun nicht mehr Riker bin, hab ich das Vergnügen, eher am Ende zu fahren, was dank den zahlreichen Vorfahrern ohne Sicht fast schon an schmarotzen grenzt. Und wieder schier endlos den Vedretta di Scerscen inferiori (auf der LK 1277, Piz Bernina, Ausgabe 2001 übrigens ein Druckfehler; Gruss an SwissTopo; Ausgabe Swiss Map 2004 korrigiert! - Heb doch dr Latz, du Scheissbürokrat!) hoch. Rechts zieren dutzende listiger Skicouloirs der übleren Sorte die Südwände von der Sella bis zur Glüschaint, links ein Wolkengeppi unseren Zielgipfel, den Piz Tremoggia. So beschliessen wir EINSTIMMIG, es bei der Fuorcla Fex-Scerscen zu belassen, sind froh, nicht im radlosen Barackenwagen namens Bivaco Colombo übernachten zu müssen und finden dafür bis zur Alp Muot Selvas immer wieder ansprechenden Sulz. Ab hier schweigt des Sängers Höflichkeit über den Schnee. Dafür wimmelt es von frisch aufgewachten Munggen und balzenden Piepmätzchen. Eine grössere Nasschneelawine aus dem Crutscharöls vom Piz Lagrev untermalt die Scene mit fernem Grollen. Nach obligatem Skitragen erreichen wir noch glücklich und hungrig Segl Maria und - potz Donner - das Kaff ist ausgestorben wie ne wildwest Geisterstadt. Ralfs sicherer Geheimtip in renovation! Wir sind dann trotzdem satt geworden und haben auch zu christlicher Stunde im Heimathafen wieder Anker geworfen.
* * * Herzlichen Dank an den Guide Ralf Weber, den Tourenleiter Dominik Fischer und die Teilnehmer Annemarie Bürgi, Andrea Hecker, Jörg Kuhn, Jürg Zutter und Thomas Schweizer für diese schönen Auf- (und Ab)fahrten in der südlichen Bernina.
Text und Bild: Rolf Glauser ⇐
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