Andrea Hecker und Jörg Kuhn, die beiden bekanntermassen unverwüstlichen Angensteiner Abenteurer haben sich als einzige für das „Hochalpine Skiabenteuer mit Zelt“ angemeldet. Dabei haben sie einigermassen gewusst, worauf sie sich einliessen, waren wir doch letzten Frühling schon drei Tage auf dem Konkordia-Eis zuhause und stiegen von dort auf den Kranzberg und aufs Grünhorn. Dieses Mal wollten wir noch einen vierten Tag anhängen und zudem das Lager auch regelmässig verschieben, intensives Lastenbuckeln war angesagt. Ich stieg in Thun zu den beiden in den Zug und wir fuhren voller Vorfreude nach Münster im Obergoms. Die Rucksäcke waren wirklich gross und schwer, meiner noch etwas mehr als die anderen beiden, wie es sich ja für einen Tourenleiter auch gehört, denn darin eingepackt war nämlich --- nein, davon später. Jörg’s Rucksack war oben bei der Schnürung wirklich ungeschickt eng tailliert, aber sicher nicht nur deswegen hat Jörg den Rucksack-Pack-Preis nicht gewonnen. Sicher nicht. Mammut ist daran nicht Schuld. Andrea will aber doch für ein nächstes derartiges Projekt feste mithelfen, dass Jörg dann ein anderes Modell tragen wird. Also, aber davon liess sich Jörg nicht die Stimmung vermiesen. Andrea und Jörg kann man auch am Abend vor der Tour noch mitteilen, dass wegen der Schneelage am Start der Tour nicht nur die Rucksäcke, sondern auch noch die Ski zu tragen sind. Das stört die beiden nicht. Nach einem leckeren Kaffee in Münster sind wir dann also bei schönstem Wetter in die Unternehmung gestartet. Das Gefühl, dass dabei aufkommt, ist fantastisch, irgendwie frei! Man trägt alles mit sich, was man die nächsten Tage nötig hat (ausser Wasser, aber das viele weisse herumliegende Wasser lässt sich ja mit Benzin transformieren) und kann sich für die Nacht niederlassen, wo immer sich ein paar wenige Quadratmeter waagerechte Fläche finden. Natürlich, alle alpinen Gefahren im Gelände müssen zuvor berücksichtigt werden. Zunächst stiegen wir, den Schnee endlich erreicht, auf einem wenig steilen Fahrweg durch Wald. Inbegriffen waren das immer wieder durch die Baumlücken wärmende Spiel der Sonne und therapeutische Harzduft-Inhalationen. Dann kam offenes Gelände, unsere Umgebung für die nächsten vier Tage. Die Galmihütte hatte noch einen riesig dicken Hut Schnee auf dem Dach. Dort setzten wir uns noch kurz zu Älplermusik und Instantkaffee in die heimelige Stube, dann füllten wir alle Flaschen mit Wasser und stiegen weiter. Am Nachmittag erreichten wir auf etwa 2400m eine flache Stelle, wo wir unser Zelt aufbauten. Und: deshalb war mein Rucksack auch etwas grösser, denn dieses Zelt war nun wirklich mein ganzer Stolz! Weil nämlich für drei Personen riesig! Wir hätten Hallenfussball spielen können! Nein ehrlich (für Insider: ein Hilleberg Keron 4 GT, für 3 Personen!), es war super. Und Andrea und Jörg sahen das zu meiner Freude auch so. Man kann dann in der Apsis eine Grube für die Füsse ausheben und so gemütlich unverrenkt und ohne Krampfpotential sitzen. Zum z’Nacht wurde Curry-Reis gekocht, mit Fleisch, nicht gefriergetrocknet. Und nach dem gebührenden Mahl legten wir uns zu Matte.
---Um 05.30 ging die sanfte iPhone-Melodie und damit war mein Zelt nach der ersten Nacht eingeweiht, - es war nämlich auch noch neu. Der Morgenkaffee sollte mir die nächsten vier Tage jedes mal erstaunlich munden (hier mache ich eine der wenigen Ausnahmen und konsumiere Nestlé). Dazu Konfischnitte, die Bütterchen habe ich zuhause vergessen. Andrea isst einfach nix zum z’Morge, daran habe ich mich dann auch wieder erinnert... Startklar ist man dann etwa anderthalb Stunden nach dem Aufstehen. Das Wetter konnte an diesem Morgen besser werden. Es hing eine bereits relativ dicke Bewölkung am Himmel und raubte uns den Fortgang der alpinen Frühlingsstimmung, die am Vortag so verheissungsvoll begonnen hatte. Leider kam es immer nebliger. Der Kontrast im Schnee wird ja so toll, wenn’s Nebel hat. Plötzlich liege ich als vorderster im Schnee, weil’s 2m runtergeht. Aber keine Chance, das zu sehen! Trotzdem wagen wir uns vorerst weiter auf unserer geplanten Route 600m hinauf zur heyen Zwächte, denn von dort wollen wir auf den Minstigergletscher abfahren. Stellenweise sehen wir nichts. Das Gelände ist mir etwas bekannt und die Lawinenlage nicht heikel, daher können wir weiter aufsteigen. Irgendwann setzt Schneefall ein. Oben auf dem Grat der heyen Zwächte wollen wir für die Abfahrt einen Moment abwarten, wo wir etwas sehen. Jetzt! Kommt! Schnellschnell! – Schon vorbei. So geht das wenige Male, wirkliche Aufhellungen gibt es dann nicht mehr. In der Nebelsuppe rutschen wir einer noch knapp erkennbaren Spur entlang auf den Minstigergletscher. Der tolle Kontrast lässt das nicht zu, was man Skifahren nennen könnte. Unten auf dem Minstigergletscher erlaube ich mir doch tatsächlich auch einmal den Luxus einer GPS-Lagekontrolle, so gut ist die Sicht. Geplant war an diesem Tag eigentlich, noch über die Galmilücke zu steigen und auf den Fieschergletscher zu wechseln. Den Erfolg dieses Plans habe ich schon seit Stunden in Frage gestellt, „rollende Planung“ war das Hauptmotto. Auf knapp über 3000m hat der Minstigergletscher ein wunderbares Plateau, umrundet von einem weiten Felszaun mit unzähligen Türmchen, die wir dumpf durch Schneenebel erkennen. Da der Schneefall zugenommen hat und überhaupt: etwas früher als geplant beenden wir diese Etappe und stellen das Zelt an den Gletscherrand. Wieder steht es wie eine Eins! Wunderbar. (Ich kann mich halt freuen an solchen Dingen...) Um Benzin zu sparen, das möglicherweise schätzungsweise vielleicht etwas knapp werden könnte, versuchen wir Flüssigwasser zu beschaffen. Wir „melken“ das Zelt. Die grossen Wassertropfen, die sich auf dem Zeltdach sammeln, können mittels gezielten Interventionen in Pfannen und Becher abgeleitet werden. Stolz vermögen wir so alle Flaschen zu füllen. Wir haben ja dazu auch den ganzen Nachmittag Zeit; sitzen in dem grossen schönen Zelt, trinken Kaffee und plaudern. Die Stimmung ist gut, die Entscheidung richtig. Zum z’Nacht gibt es Tortelloni alla panna, nicht gefriergetrocknet.
---Der nächste Morgen empfing uns mit einem blauen Himmel. Wir machen uns startklar, während um uns herum die warmen Farben der Morgensonne entstehen. Heute muss gespurt werden, es hat die letzten 18 Stunden mehr geschneit als erwartet. Aber alles im grünen Bereich, der Schnee fiel bei Wärme und wenig Wind. Die Elemente bekommt man halt ausserordentlich getreu mit, wenn man so intensiv im Gebiet ist. Wir erreichen die Galmilücke nach einem steilen Schlusshang und seilen uns nach einem kurzen z’Nüni auf die andere Seite ab. Jetzt konnte man Skifahren. Superschnee, war ja klar! Wir zielten auf die Aufstiegsspur zum vorderen Galmihorn, welche dankbarerweise schon prächtig vorhanden war, liessen das schwere Gepäck an Ort und Stelle und stiegen auf. Die Abfahrt war der Hammer. Wieder mit dem grossen Gepäck fuhren wir danach auf den Fieschergletscher ab und machten in der heissen Mittagssonne eine ausgiebige Pause. Diese Mittagshitze musste natürlich auch irgendwo für Flüssigwasser sorgen! Wenige hundert Meter in Richtung Finsteraarhornhütte rannen wenige kleine Rinnsale über die Felsen am Gletscherrand, welche unsere Flaschen füllten. Und auch den direkten Durst! Der dritte Lagerplatz lag am Fusse des Wyssnollen, gegenüber der Finsteraarhornhütte. Wiederum sehr schön und schlafgeeignet. Heisser Kaffee am Spätnachmittag, den schnell wandernden Schatten konnte man zuschauen. Und gell, wenn sie Dich erreicht haben, braucht’s einzwei lange Unterhosen und die Daunenjacke... Härdöpfelstock mit Wienerli an Jägersosse, nicht gefriergetrocknet. Nachtruhe.
---Weil wir am letzten Tage einen rechten Spaziergang vor uns haben, weckt uns die Melodie um 04.30 Uhr. Wir packen das meiste, lassen das Lager aber stehen und steigen auf den Nollen. Aus der Kälte über die Grenze des Sonnenlichtes in die farbige Eiswelt. Auf dem Gipfel haben wir eine tolle Aussicht auf die riesige Gletscherwanne entlang der Nordwand des Aletschhorns, die Gipfel um die Jungfrau, um das Grünhorn, Fiescherhörner, Finsteraarhorn, Galmi, von wo wir gekommen sind, Wannenhorn im Süden. Wir haben auch zum einzigen Mal Empfang und informieren uns über die letzten Abfahrszeiten der Gondel von der Fiescheralp. 15.15 ist zu früh, zu stressig; 17.15 passt, ist aber auch die letzte. Die müssen wir kriegen. Wir fahren ab durch tollen Schnee, gegen unten hat es etwas einen Deckel, naja. Das Zelt aufgeräumt, gehen wir los zur Grünhornlücke und erreichen diese am Mittag. De andere Seite zum Konkordiaplatz ist ziemlich hart, pistenhart. Aber das ist uns natürlich viel lieber als ein Deckel. Nach einer Rast auf dem Konkordiaplatz fahren wir kilometerlang den grossen Aletschgletscher hinunter zur Aufstiegsspur Eggishorn. Auch die letzten 400m schaffen wir, traversieren ins Skigebiet und haben sogar noch Zeit für Apfelstrudel und Kaffee. Danke Jörg. Wir kehren zufrieden und dankbar heim von einer Tour, die ich auch deshalb etwas detaillierter beschrieben habe, damit der Leser sich etwas einfühlen möge in die Stimmung, die in solch einer Unternehmung lebt. Und, wer weiss, vielleicht wird ja eine ähnliche Tour mal wieder ausgeschrieben (was freilich nicht heissen will, dass es sowas auch sonst noch nie gegeben hat!).–
Andrea und Jörg, Euch ein weiteres Mal allerherzlichsten Dank!
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